Raser-Prozess in Salzgitter: Angeklagter geht in Berufung
Ein Bild von der Unfallstelle: Im Februar kamen auf der Nord-Süd-Straße vier Frauen ums Leben. Foto: rk

Raser-Prozess in Salzgitter: Angeklagter geht in Berufung

Salzgitter. Der Horrorunfall vom 4. Februar 2016 auf der Nord-Süd-Straße ist in erster Instanz entschieden. Das Amtsgericht Salzgitter verurteilte den 26-jährigen Mercedes-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung in vier Fällen zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, die zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt werden. Außerdem muss der Mann für mindestens ein Jahr den Führerschein abgeben und 5.000 Euro an das Kinderhospiz Löwenherz zahlen.

Die vier Frauen im Alter von 67, 75, 78 und 91 Jahren verloren noch am Unfallort ihr Leben auf der regennassen Straße, auch weil die Fahrerin mit ihrem VW Tiguan trotz Gegenverkehr an der Kreuzung mit der Engeroder Straße nach links abgebogen war und somit den Unfall mitverursacht hatte. Nach Ansicht eines Sachverständigen hätte sie das hohe Tempo des Autos auf der Gegenfahrbahn durchaus erkennen können. Diese Teilschuld führte auch dazu, dass das Gericht ein Urteil fällte, was viele Beobachter bei den tödlichen Folgen als zu milde empfinden.
Um diesen Widerspruch wusste auch Richterin Juliane Schillgallies, die dem Angeklagten zugutehielt, bis dahin unbescholten zu sein und bei der Salzgitter Flachstahl einer geregelten Arbeit nachzugehen. Sie hielt ihm aber vor, 130 bis 140 Stundenkilometer gefahren zu sein, obwohl in dem Bereich Tempo 70 vorgeschrieben ist. „Spuren lügen nicht“, so Juliane Schíllgallies im Urteilsspruch. Ohne die hohe Geschwindigkeit wäre es nicht zum Zusammenstoß gekommen, sagte sie. Wer so schnell fahre, riskiere Menschenleben. Die Richterin nährte Zweifel, dass der Mann aus dem schlimmen Vorfall gelernt hat. Schließlich hatte ihn die Stadt erst vor drei Monaten mit einer Geldbuße von 105 Euro belegt, weil er auf der Industriestraße 28 Kilometer pro Stunde zu schnell unterwegs war.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine etwas höhere Strafe im Sinn. Die Bewährungszeit für die zehn Monate sollte demnach drei Jahre betragen, die Führerscheinsperre zwei Jahre. Die Nebenkläger hatten sich diesem Antrag angeschlossen. Das Leid sei nicht wieder gut zu machen, sagten sie.
Der Rechtsanwalt des Angeklagten, der den „erschütternden“ Unfall nach eigenen Worten noch immer nicht verarbeitet hat und sich den Angehörigen sein Beileid aussprach, hatte wegen der Mitschuld der Tiguan-Fahrerin auf einen Freispruch plädiert. Für seinen Mandanten hätte der Unfall ebenfalls tödlich enden können, hieß es.
Mittlerweile hat der Anwalt des Fahrers eine Berufung angekündigt. Der Prozess geht in die nächste Instanz. rk/r