„Der Bischof an der Seite der Armen“

„Der Bischof an der Seite der Armen“

Gifhorn. Das Konklave hat gewählt. Seit Mittwochabend steht der neue Papst fest. Der Gifhorner Rundblick fragte Pastoralreferent Martin Wrasmann nach seiner Einschätzung zu Papst Franziskus und seiner Bedeutung für die katholische Kirche.

Martin Wrasmann

RB: Weißer Rauch stieg am Mittwoch nach einem nur zweitägigen Konklave auf. Hatten Sie mit einer so zügigen Wahl gerechnet?

Nein, so schnell nicht. Da es im Vorfeld keinen offensichtlichen Spitzenkandidaten gab, hätte ich mit noch mehreren Wahlgängen gerechnet.

RB: Mit Jorge Mario Bergoglio als Papst Franziskus hat die Kirche erstmals ein Oberhaupt aus Südamerika, dem Kontinent mit den meisten Katholiken weltweit. War es den Kardinälen Ihres Erachtens wichtig, die Kirche internationaler aufzustellen, weg von der euro-italienischen Kirchturmpolitik?

Ich denke mit der Wahl von Erzbischof Bergoglio wurde der Tatsache Rechnung getragen, jemanden an die Spitze der Kirche zu berufen, der einen Kontinent vertritt, in dem 80 Prozent der Menschen katholisch sind. Die Kirche ist im übrigen nie national oder international, sondern universal. In der Tat tut es der katholischen Kirche gut, einen Papst zu haben, der aus einem anderen Kulturkreis stammt und die Welt auch aus den Augen der Unterprivilegierten sieht, denn sie sind die Privilegierten Gottes.

RB: Papst Franziskus gilt als eher unerfahren in der Kurie, hielt sich hauptsächlich in seiner Heimat und relativ selten im Vatikan auf. Sehen Sie es als Nachteil, dass er sich in den Regierungsgeschäften wenig auskennt oder eher als Vorteil, dass er mit Seilschaften wenig vorbelastet ist?

Er gilt auch als entscheidungsfreudig, Leitungskompetenz und die Wahrnehmung von Leitung ist  wichtig, um regieren zu können. Er hat angekündigt, er wolle sein Amt auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrauens gestalten, das ist als Haltung wesentlich wichtiger als eine gewisse Erfahrenheit im Umgang mit der Kurie.

RB: Der Heilige Franz von Assisi als Namensgeber hat eine hohe Symbolkraft, weil er sich für die Armen und Schwachen einsetzte. Ist die Wahl des Namens ein Signal für das beginnende Pontifikat?

Ja natürlich, aber nicht nur die Person Franz von Assisi, sondern auch sein bisheriges Amtsverständnis: der Bischof an der Seite der Armen. Ich bin gespannt, wie er den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in sein Pontifikat einfließen lässt. Auch in einem Plädoyer für die Bewahrung der Schöpfung wird er die Glaubwürdigkeit der Kirche stärker wiederherstellen als mit ständigen binnenkirchlichen Auseinandersetzungen. Jedenfalls stände es ihm und der Kirche gut an, wenn sie stärker Partei ergreift für die Armen und Schwachen, dabei wird er sicher auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Finanzmärkten suchen müssen. Das Reich Gottes ist nämlich nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen.

RB: Erwarten Sie, dass Papst Franziskus dem Vatikan und der Weltkirche eine neue Richtung vorgeben wird? Oder wird das Meiste beim Alten bleiben?

Ich hoffe, dass einiges beim Alten bleiben wird: die Gottesrede wachhalten, den Glauben erfahrbar machen, den Armen die Frohe Botschaft verkünden. Ich hoffe auch, dass er richtungsweisende Schritte gehen wird, Antworten gemeinsam mit anderen sucht auf die Frage, wie die katholische Kirche im 21. Jahrhundert ankommen kann. Ich wünsche mir weite Öffnungen in der Ökumene, ein demokratisches Amtsverständnis, das viele mitnimmt und wenige ausgrenzt.

RB: Mal ganz hypothetisch: Stellen Sie sich vor, Papst Franziskus würde Sie persönlich um Rat für sein Pontifikat fragen. Hätten Sie Vorschläge?

Keine Vorschläge, ich würde ihn ermutigen, an die starken Gesten bei seinem ersten Auftritt anzuküpfen: Demut vor Gott und dem Volk Gottes, Bescheidenheit statt Triumphalismus, Vertrauen wagen. Doch einen Vorschlag hätte ich: bei seinen Entscheidungen zu prüfen, ob das, was geschieht, dem Evangelium gemäß ist. Das, finde ich,  ist oberste päpstliche Aufgabe.

RB: Vielen Dank für das Gespräch.