Wolfsbrug: „Das ist schon organisierte Kriminalität“
Vorsicht ist geboten: Viele Schlüsseldienste geben sich im Internet als ortsansässige Unternehmen aus. Ein besonders dreister Fall wurde jetzt vor dem Amtsgericht verhandelt. Foto: Archiv

Wolfsbrug: „Das ist schon organisierte Kriminalität“

Wolfsburg. Man ist in Eile, verlässt hektisch die Wohnung – und vergisst den Schlüssel. Ausgesperrt. So erging es auch einer Wolfsburgerin im September 2017. In ihrer Not googelt sie über ihr Handy nach einem Schlüsseldienst, schnell wird sie fündig. Ganz oben bei den Suchergebnissen wirbt ein scheinbar ortsnahes Unternehmen mit schneller Hilfe. Ein Anruf bei der 0800er-Nummer und der Monteur Benjamin L. wird sofort auf den Weg geschickt. Dumm nur, dass dieser keineswegs aus der Nähe kommt, sondern aus Oberhausen. Gegen Benjamin L. wurde nun wegen Betrugs vor dem Amtsgericht Wolfsburg verhandelt.
Nicht nur habe er der Kundin bewusst Ortsansässigkeit vorgetäuscht, auch habe er jedwede Vorabauskunft über den Preis verweigert, heißt es in der Anklageschrift. Als Sahnehäubchen verlangte Benjamin L. anschließend einen horrenden Betrag von fast 700 Euro für seine Leistung. Gut 500 Prozent über dem üblichen Marktpreis, wie ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinigt. Nach erbrachter Leistung habe er die Geschädigte zur Zahlung genötigt, indem er gedroht haben soll, das neue Schloss wieder auszubauen.
Benjamin L. und sein Verteidiger plädieren auf Freispruch. Sein Mandant habe keineswegs Ortsansässigkeit vorgetäuscht, seine Anschrift und auch der Preis der Leistung seien auf dem von der Angeklagten unterschriebenen Auftragsformular klar vermerkt. Auch eine Nötigung liege nicht vor: Der Angeklagte habe das Recht, die Leistung bei Nicht-Zahlung rückabzuwickeln.
Da die Geschädigte in einem vorherigen Zivilverfahren durch Versäumnisurteil bereits den Großteil der Summe zurückerhalten hatte, einigten sich die Parteien auch aus prozessökonomischen Gründen schließlich auf eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung von 2100 Euro an die Jugendhilfe Wolfsburg.
Die Staatsanwaltschaft nutzte den Prozess allerdings, um deutlich zu machen, dass sie hart gegen diese verbreitete Betrugsmasche vorgehen will. „Wir sehen das schon als organisierte Kriminalität“, betonte der Staatsanwalt. Für den Angeklagten hingegen ist die Sache mit der Zahlung noch nicht ausgestanden: Auch in Essen muss sich der ansonsten noch nicht vorbestrafte Selbstständige wegen ähnlicher Fälle vor Gericht verantworten.