„Lebens- und liebenswürdige Gemeinde“: hallo Peine sprach mit Wendeburgs Bürgermeister Gerd Albrecht
Als lebens- und liebenswert bezeichnet Bürgermeister Gerd Albrecht „seine“ Gemeinde Wendeburg. Einer der Hauptgründe dafür sei das weit verbreitete ehrenamtliche Engagement und der Gemeinschaftssinn.

„Lebens- und liebenswürdige Gemeinde“: hallo Peine sprach mit Wendeburgs Bürgermeister Gerd Albrecht

Wendeburg. Die Serie „hallo, Herr Bürgermeister“ richtet den Blick in dieser Ausgabe nach Wendeburg. Die hallo-Redaktion sprach mit Gemeindebürgermeister Gerd Albrecht über Ist-Stand und Entwicklung in der Infrastruktur, über mittel- und langfristige Ziele sowie über Wünsche der Gemeinde von Kreis, Land und Bund.

hallo: Herr Albrecht, wie würden Sie die Gemeinde Wendeburg beschreiben und was unterscheidet sie von anderen Kommunen im Kreis?
Albrecht: Wendeburg ist mehr als andere Gemeinden von der Landwirtschaft geprägt und hat – verglichen mit Nachbargemeinden wie Schwülper oder Vechelde – einen dörflichen Charakter. Das zeigt sich auch in der Gemeinschaft: Auf 10.800 Einwohner kommen 120 Vereine und andere Organisationen. Es herrscht ein sehr reges Gemeinschaftsleben mit großem ehrenamtlichen Engagement, für das ich im Sinne der Gemeinde sehr dankbar bin.
Durch seine Lage ist Wendeburg stark nach Braunschweig orientiert. Die Anbindung an die A2 verschafft der Gemeinde eine verkehrstechnisch günstige Lage, sodass hier viele Bürger wohnen und in den umliegenden Städten arbeiten. (lächelt) Nur wenn auf der Autobahn ein Unfall passiert ist und wir zur Umleitungsstrecke werden, ist das weniger schön.
Der dorftypische Zusammenhalt und das vergleichweise noch kostengünstige Wohnen auf der einen Seite, die Stadtnähe auf der anderen, machen Wendeburg zu einer lebens- und liebenswerten Gemeinde am Braunschweiger Stadtrand. Nicht umsonst fühlen sich viele Menschen hier gut aufgehoben.

hallo: Dazu ist natürlich eine entsprechende Infrastruktur nötig. Wie sieht es in dieser Richtung aus?
Albrecht: Wir haben in den vergangenen Jahren die Kinderbetreuung bedarfsentsprechend ausgebaut, und die drei Grundschulen bieten eine ergänzende Schulkindbetreuung an. Hinzu kommt unser schönes Auebad, das die Menschen nicht nur aus der Gemeinde, sondern auch aus dem Umland und sogar aus Braunschweig anzieht. Das Freibad ist zwar ein Zuschussgeschäft, aber es macht die Gemeinde besonders für Familien attraktiver und trägt so zur wirtschaftlichen Entwicklung bei.
Nicht zu vergessen sind gute Einkaufmöglichkeiten, Ärzteversorgung, Dienstleistungs- und Handwerkbetriebe, die sich sehen lassen können.

hallo: Die meisten Gemeinden in der Region werben um Neubürger, das ist hier sicher nicht anders, oder?
Albrecht: Richtig. Der demografische Wandel kommt nicht auf uns zu, sondern er ist schon längst da. In den kommenden sechs Jahren werden die Schülerzahlen an unseren Grundschulen voraussichtlich um fast 30 Prozent sinken. Darum sind wir, wie andere Gemeinden auch, daran interessiert, dass junge Familien zu uns kommen. Schließlich möchten wir Leerstände in unseren Betreuungseinrichtungen vermeiden, denn die Investition ist bereits getätigt und die laufenden Kosten bleiben gleich.
Allerdings setzen wir nicht in dem Maße auf Wachstum, wie das in benachbarten Kommunen der Fall ist. Wir streben ein maßvolles, behutsames Bevölkerungswachstum an. Das hängt auch mit der landwirtschaftlichen Prägung zusammen: Die Landwirte bewirtschaften ihre Flächen und verlangen entsprechend hohe Preise im Verkauf. Das wird beim VW-Logistikzentrum in Harvesse deutlich. Dies benötigt viel Fläche, was zu Lasten der Landwirtschaft geht. Dasselbe gilt für die geplante Erweiterung der Autobahnraststätte Zweidorfer Holz.
Aktuell wurde ein Baugebiet in Bortfeld erschlossen und die Grundstücke verkauft, ein weiteres kommt nach Meerdorf. Im kommenden Jahr bieten wir auch Grundstücke im Kernort an. Die Zeit für Bauwillige ist günstig, weil momentan die Zinsen sehr niedrig sind.
Aber der Zuzug muss zu den vorhandenen Strukturen wie Kindergärten und Schulen passen. Wir haben nicht vor, mit Gewalt zu wachsen.

hallo: Wie sieht es mit den Gemeindefinanzen aus?
Albrecht: Da ist zum einen der investive Bereich: Wir kaufen  und erschließen Grundstücke, aber diese Ausgaben werden über den Grundstücksverkauf schnell wieder zurückgeführt.
Anders sieht es bei Ausgaben wie beispielsweise für die neue Sporthalle in Bortfeld aus. Die politische Diskussion über Sanierung oder Neubau hat uns über Jahre beschäftigt. Nun soll neu gebaut werden, was meiner Meinung nach wirtschaftlich sinnvoll ist und größere Hallenflächen bringt. Dies ist aber eine langfristige Investition. Hinzu kommen Investitionen  in die Feuerwehr oder energetische Sanierungen im Rathaus und kommunalen Einrichtungen. Bis 2030 sollen sogar alle privaten, gewerblichen und öffentlichen Gebäude nach Möglichkeit mit erneuerbarer Energie gespeist werden.
Alles in Allem brauchen wir Kredite, die wir so zügig wie möglich tilgen möchten. Nur haben wir es momentan mit vielen Belastungen gleichzeitig zu tun.

Verschärft die Flüchtlingssituation die finanzielle Lage?
Albrecht: Ja, wenn auch anders, als man vermuten mag. In der Gemeinde leben zurzeit rund 120 Flüchtlinge, hauptsächlich Familien. Die meisten können wir dezentral in Wohnungen unterbringen. An dieser Stelle möchte ich noch einmal der Bevölkerung für die Bereitschaft danken, uns Wohnraum zur Miete zur Verfügung zu stellen. Unser Problem dabei ist, dass wir Wohnungen anmieten, aber es dauert viel zu lange, bis die Flüchtlinge bei uns ankommen. Das erzeugt Kosten, die uns nicht erstattet werden. Für diese Zeit bleibt die Gemeinde auf den Mietkosten sitzen.
hallo: Heißt das, dass die Gemeinde zwar die allgemein favorisierte Möglichkeit zur Unterbringung hat, aber es fehlen die Flüchtlinge?
Albrecht: Im Grunde ja. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, ist die zähe Bürokratie.
Bereits seit Frühjahr 2014 haben wir eine Flüchtlingsbeauftragte, Sprachkurse und eine Fahrradwerkstatt, um den Menschen, die in den kleineren Ortschaften untergebracht werden, eine gewisse Mobilität zu ermöglichen. Weil wir damit früh begonnen haben, konnte das ehrenamtliche Engagement der Bürger stetig wachsen. Dieses kann kaum hoch genug eingeschätzt werden.
Ein großer Wunsch aus Gemeindesicht ist, dass die finanziellen Rahmenbedingungen für Unterbringung und Integration von Bund und Land verbessert werden.

hallo: Vielen Dank für das Gespräch.