Wandel trifft Salzgitter besonders hart

Wandel trifft Salzgitter besonders hart

Der demografische Wandel wird das Leben verändern und die Kommungen vor gewaltige Aufgaben stellen. Wie gewaltig, lassen die  Prognosen erahnen. Laut Statistiken schrumpft Salzgitter dramatisch von derzeit 100.600 Einwohnern auf etwa 80.000 in knapp 20 Jahren. Den Nachbarn geht es nicht viel besser. Die Entwicklung, die auch das wirtschaftliche Wohlergehen einer Region bestimmt, lässt sich nicht aufhalten, wohl aber gemeinsam mildern. So lautet das Fazit einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung im „Hotel am See“.

Die Folie zeigt drei verschiedene Bevölkerungsprognosen der NBank, des Landesbetriebs für Statistik und der Bertelsmann-Stiftung auf einen Blick. Die Farben signalisieren den Alarmzustand. In Salzgitter (rot) wird ein Bevölkerungsrückgang von 2009 bis 2030 zwischen 19 und 28 Prozent erwartet. Verluste drohen auch den Nachbarn, nur Bruanschweig ist im grünen Bereich. Quelle: Zweckverband Großraum Braunschweig

„Demografischer Wandel – Herausforderung für Staat, Kommunen und Wirtschaft“ hatte die Friedrich-Ebert-Stiftung den Abend überschrieben. Und wenn es auf die zentrale Frage für Salzgitter und das von Schrumpfung bedrohte Braunschweiger Land eine Antwort gibt, dann eine regionale. Jede Stadt für sich allein könne die Entwicklung nicht aufhalten oder mildern, nur durch gemeinsame Projekte ließe sich Boden gut machen im Wettbewerb um die Einwohner. Geschlossenheit mahnten daher die Teilnehmer der Podiumsdiskussion an. Als mahnendes Beispiel, wohin eine fehlende Kooperation führt, sehen sie das Scheitern eines gemeinsamen Konzeptes für den Öffentlichen Nahverkehr.

„Braunschweig hat ein besseres System verdient“, sagte Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil. Niedersachsens SPD-Landesvorsitzender sah in dem Punkt auch das Land mit in der Pflicht. „Wir werden weniger, älter und bunter“, lautete seine Botschaft. Wie Kommunen damit umgehen, dafür gebe es kein Patentrezept. Die Menschen vor Ort müssten gemeinsam Ziele und Strategien erarbeiten. Für Weil nimmt die Familien- und Bildungspolitik künftig die zentrale Rolle ein. „Das ist auch hochökonomisch ein Mega-Thema.“

Wie ökonomisch wichtig machte Peter Schneider klar, Personalvorstand der Salzgitter AG. Der Bundesrepublik fehlten in den nächsten Jahren 6,5 Millionen Arbeitsplätze. Dieses Defizit werde sich aber nicht gleichmäßig verteilen. Er nannte es wichtig, junge Leute und so das Potenzial an Ingenieuren in der Region zu halten. Sein Konzern starte dazu gerade drei Pilotprojekte an den örtlichen Gymnasien.
Den Ernst der Lage warf Jens Palandt vom Zweckverband Großraum Braunschweig in Zahlen an die Wand. Je nach Forschungsinstitut wird bis 2030 für Salzgitter ein Bevölkerungsrückgang von 19 bis 28 Prozent erwartet. Mit Ausnahme Braunschweigs sieht es in den Bereichen von Wolfsburg bis Goslar kaum besser aus. Palandt: „Prognosen sind aber nicht in Stein gemeißelt. Wir können daran arbeiten.“

Und das am besten gemeinsam, forderte Wolfenbüttels Landrat Jörg Röhmann. Nicht nur die Kommunen seien vom Verlust betroffen: Auch Energieversorger, Banken und Sparkassen, Wohnungsgesellschaften oder Krankenkassen verlieren Kunden. „Wir alle hier haben das gleiche Problem.“ Röhmann  hofft, dass es den Kommunen in der Region gelingt, mit gemeinsamen Vorschlägen in die nächste Förderperiode der EU zu kommen.

Eine Generation verloren

Diese Initiative lobte auch Julius von Ingelheim, Geschäftsführer der Wolfsburg AG. Diese sei ein bestes Beispiel für eine gute Zusammenarbeit. So sei es gelungen, entgegen aller Voraussagen die Einwohnerzahl in Wolfsburg konstant zu halten. Mit Blick auf die starke Industrie sorgt er sich um Mittelstand und Handwerk. Für sie könnte die Suche nach geeignetem Nachwuchs ein Problem werden. Er sah keinen Grund, schwarz zu malen. In Südost-Niedersachsen seien alle Voraussetzungen vorhanden: Industrie, Hochschulen, Tourismus und Lebensqualität.

Trotz dieser Vorzüge dürfte der Zug kaum aufzuhalten sein. „Wir können eine verlorene Generation leider nicht zurück gewinnen“, hatte Bürgermeister Stefan Klein in seinem Grußwort bedauert.rwe