Bürgermeister-Serie von hallo Peine: Heute Lengede
Bürgermeister Hans-Hermann Baas würde es begrüßen, wenn Lengede dezentral und bürgernah Aufgaben vom Landkreis übernehmen würde.

Bürgermeister-Serie von hallo Peine: Heute Lengede

Lengede. Keine andere Gemeinde im Landkreis – außer vielleicht der Stadt Peine – hat im vergangenen Jahrhundert so starke Veränderungen durchlebt wie Lengede. Im Rahmen der Serie „hallo, Herr Bürgermeister“ sprach die Redaktion mit Hans Hermann-Baas über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der vom damaligen Bergbau geprägten Gemeinde.

hallo: Lengede ist geografisch der Stadt Salzgitter zugewandt. Trifft das auf die Orientierung der Bürger und der Politik ebenso zu?
Baas: Jetzt weniger als früher. Vor 1972, bevor Lengede zur Einheitsgemeinde im Landkreis Peine wurde, war Lebenstedt der Anlaufpunkt für die Bevölkerung. Das ist inzwischen nicht mehr so stark der Fall. Heute erlauben der öffentliche Personennahverkehr und der Individualverkehr, zum Einkaufen und Arbeiten Ziele wie Braunschweig oder Peine anzusteuern. Das hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr verbessert. 25 Kilometer sind heute keine Entfernung mehr.

hallo: Wie wirkt sich der ehemalige Bergbau auf das Lengede von heute aus?
Baas: Die bergmännische Tradition lebt weiter in allen fünf Ortsteilen. Schließlich wurde hier über 100 Jahre Bergbau betrieben. Dies führte auch zu den landschaftlichen Besonderheiten. Der Seilbahnberg, der aus Abraum aus dem Tagebau aufgeschüttet wurde, ist die höchste Erhebung im Landkreis. Und mit den ehemaligen Klärteichen haben wir ein großes zusammenhängendes Naherholungsgebiet. Die Lengeder Teiche erstrecken sich über 200 Hektar mit vielen Wanderwegen und sind europäisches Schutzgebiet.
hallo: Wie hat sich die Wirtschaft in der Post-Bergbau-Zeit entwickelt?
Baas: Die Gemeinde hat das Teichgebiet, das Schachtgelände mit Ödflächen sowie Ackerflächen im Jahr 1977 erworben. Das ehemalige Gelände des Schachts Mathilde ist jetzt ein Gewerbegebiet. Mit dem Unternehmerpark konnten wir einige Firmen ansiedeln und so rund 1000 der ehemaligen Arbeitsplätze im Bergbau vor Ort halten. Dabei ist auch die gute Anbindung an die Autobahn durch die Umgehung Broistedt hilfreich. Wo es möglich ist, versuchen wir, Arbeitsplätze vor Ort anzusiedeln. Aber natürlich arbeiten auch viele Bürger außerhalb der Gemeinde, bei Salzgitter Stahl, bei VW und MAN zum Beispiel.
hallo: Und wie sieht es mit der Bevölkerungsentwicklung aus?
Baas: Da können wir sehr zufrieden sein: Während es 1972 noch rund 9.600 Einwohner waren, zählen wir inzwischen  13.000 Lengeder Bürger. Um das zu erreichen, ist die Gemeinde in der Bildungspolitik immer stark aufgetreten. Zum Beispiel waren wir eine der ersten Gemeinden, die in allen drei Grundschulen Ganztagsangebote vorhält, und mit die ersten, die die Kindergartengebühr für Fünfjährige abgeschafft haben – noch bevor dies Gesetz wurde. Insofern haben wir sehr oft eine Vorreiterrolle eingenommen. Außerdem haben wir für mehr Krippenbetreuung gesorgt als die 35 Prozent, die das Land vorgegeben hat. Im übrigen zahlen Eltern hier für die Krippe nicht mehr als für den Kindergarten. Das sind Voraussetzungen für unsere derzeitige Zusammensetzung der Bevölkerung. Bei uns macht sich der demografische Faktor weniger bemerkbar als woanders. Rund ein Drittel der jungen Leute in den Neubaugebieten stammen aus Lengede, ein weiteres Drittel aus dem Bereich Salzgitter und ein Drittel aus der Region Braunschweig.
Aktuell können wir uns beim Landrat, der Kreispolitik, den Eltern und der Schulleitung der IGS bedanken, dass diese nun auch eine Oberstufe erhält, damit schließt sich der Kreis: Vom Kleinkindalter über Schule und Beruf bis hin zu den Senioren, denen wir mit der Generationenhilfe und dem Senioren-Service-Büro einiges bieten können, reichen unsere Angebote.

hallo: Zurzeit ist die Diskussion um eine Gebietsreform ja deutlich ruhiger geworden. Kommt Ihnen das entgegen?
Baas: Die Kreisfusion ist zwar vom Tisch, aber nicht verschwunden. Sie bleibt unterm Tisch in der Schublade. Aber wie auch immer eine mögliche Gebietsreform aussehen könnte, wird Lengede immer in einer Randlage bleiben. Wir haben große Erfahrungen damit, am Rand eines größeren Gefüges zu sein. In der Vergangenheit haben wird es immer geschafft, die Möglichkeiten zu nutzen, die die Lage bietet, und werden dies auch in Zukunft tun.
hallo: Apropos Zukunft: Haben Sie Wünsche an die Politik, um Ihre Gemeinde noch weiter zu entwickeln?
Wir möchten noch mehr Aufgaben dezentral übernehmen und vom Kreis übertragen bekommen. Schließlich ist die Gemeinde immer näher an den Bürgern und den Herausforderungen als die größere Gebietseinheit. Zum Beispiel ist der Gemeinderat einstimmig dafür, die Regelung des ruhenden Verkehrs selbst zu übernehmen (Anm. d. Red: Im Volksmund „Politessen“). Ein entsprechender Antrag liegt dem Kreis vor. Auch eine Koordinierungsstelle für Tageseltern sowie eine Kfz-Zulassungsstelle sind denkbar.
Außerdem ist es wichtig, dass bei der Zuweisung von Flüchtlingen die bisherige Stetigkeit erhalten bleibt. Jede Woche eine überschaubare Zahl, das ist machbar. Wir haben in Lengede den höchsten Personalaufwand pro Flüchtling, damit haben wir aber auch ein gut funktionierendes System geschaffen. Jetzt müssen wir sehen, ob dieser Aufwand erforderlich bleibt. Natürlich müssen wir die hierfür nötigen Finanzen zurückerstattet bekommen.

hallo: Vielen Dank für das Gespräch.