
Ohne Erz keine Stadt
Am 1. April feiert die Stadt Salzgitter ihr 70-jähriges Bestehen. Die Salzgitter-Woche blickt in seiner Sonderveröffentlichung zurück auf die Entstehung und Entwicklung einer faszinierenden Großstadt. Einen Bericht daraus lesen Sie hier.Am Anfang war das Erz. Mit diesen Worten ließe sich die Geschichte der Stadt Salzgitter in einem Satz zusammenfassen. Denn die Wurzeln Salzgitters reichen weiter zurück, als das Gründungsjahr 1942 vermuten lässt.
Ein Exkurs in die Urzeiten zeigt, dass die in der Region lagernden riesigen Eisenerzvorkommen schon um Christi Geburt bekannt waren und bereits vor 50.000 Jahren ein eiszeitlicher Jäger das Gebiet der heutigen Stadt Salzgitter sondiert hatte.
Ein bereits zu Urzeiten wichtiger Bodenschatz also, ohne den es nie zur Stadtgründung gekommen wäre. Zwar wurden die recht eisenarmen Erze der Region eher als „Salzgittersche Blumenerde“ verspottet und deshalb zunächst nie großindustrieell verwertet, doch das änderte sich, als die Nationalsozialisten Bau der Reichswerke forcierten.
Sie hatten 1934 mit Reichskanzler Adolf Hitler die politische Macht in Deutschland übernommen und bereiteten nun den Zweiten Weltkrieg vor. Am 15. Juli 1937 kam es dadurch zur Gründung der Reichswerke AG für Eisenerzbergbau und Eisenhütten, Hermann Göring.
Der Raum zwischen Goslar, Wolfenbüttel und Braunschweig wurde eine der größten Baustellen Europas. Neben dem Industriegebiet sollte als Muster und Beispiel einer „zeitgemäßen“ Städteplanung aber auch die „Stadt der Reichswerke Hermann Göring“ erwachsen. Bis Kriegsende 1945 wurden rund 10.000 Wohnungen für die rapide wachsende Bevölkerung aus dem Boden gestampft. Tausende von Menschen lebten in provisorischen Barackenlagern.
Am 1. April 1942 wurde offiziell nachgeholt, was längst überfällig war – der kommunalpolitische Zusammenschluss von 21 braunschweigischen Gemeinden aus dem Landkreis Wolfenbüttel und sieben Ortschaften aus dem preußischen Landkreis Goslar zu einer neuen Gebietskörperschaft als Partner der Reichswerke. Die Stadt Salzgitter, damals noch Watenstedt-Salzgitter, war gegründet.
Doch trotz aller städtebaulichen Anstregungen war Salzgitter 1945 ein Torso. Es gab kaum Infrastruktur und die schwere Hypothek von 4.000 KZ-Häftlingen und Zwangsverschleppten, die unter unmenschlichen Bedingungen in der Kriegsmaschinerie der Nationalsozialisten ihr Leben ließen, haftete an der Stadt. Hinzu kam, dass nach Kriegsende die einstigen Reichswerke demontiert werden sollten.
Als Ende 1947 mit der Demontage der „Hütte“ in Salzgitter begonnen wurde und die Stadt so um ihre wirtschaftliche Grundlage bangen musste, leisteten Rat und Verwaltung, Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Bevölkerung und die Belegschaft heftigen Widerstand – mit Erfolg: Ein kleines Hüttenwerk blieb 1951 von den Sprengungen der britischen Truppen verschont und Salzgitter erlebte seine zweite, sein eigentliche Geburtsstunde.
Mit finanzieller Starthilfe der Bundesregierung wuchs die Stadt ab den 1950er-Jahren aus den Kinderschuhen heraus. Sie erlebte eine Entwicklung, die sich vor allem in einem Boom im Bausektor äußerte. Wohnraum und kommunale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Bäder sowie Kirchen wurden geschaffen – und der ab 1937 im großen Stil betriebene Eisenerzbergbau blieb eine der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt.
Doch der weltweiten wirtschaftlichen Konkurrenz hielt das Salzgitter-Erz irgendwann nicht mehr stand: Der Bergbau fand 1982 mit der Schließung der Grube Haverlahwiese sein Ende. Die Deutsche Einheit 1990 führte die Stadt allerdings zu einem zentralen Anliegen seiner Gründung zurück: die Existenz als Wirtschaftszentrum.
Für Salzgitter bleibt das Erz also weiterhin wichtigstes Gut. Auch, wenn bei der Salzgitter AG heute allein hochwertige Eisenerze aus Schweden und Übersee verhüttet werden. ju