OB Frank Klingebiel: Salzgitter hat eine gute Strategie
Knapp zwei Wochen ist das neue Jahr jung, da bleiben noch 50 spannende Wochen übrig für die Stadt. SZW-Redakteur Roland Weiterer traf Oberbürgermeister Frank Klingebiel zum Neujahrsgespräch. Dabei ging es unter anderem um die Finanzen, die Debatte um das Mobilitätsmuseum oder was nun nach der 70-Jahr-Feier kommt.

Den Rotstift in der Hand: Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel an seinem Schreibtisch im Rathaus in Lebenstedt. Bei allen Maßnahmen muss er immer die Finanzen der Stadt im Blick behalten.
Mit welchen guten Vorsätzen ging Salzgitters Oberbürgermeister ins neue Jahr?
Weiterhin nicht den Humor verlieren und stringent und geradlinig die Dinge abzuarbeiten, die auf dem Weg liegen.
Die Stadt hat mehr als 300 Millionen Euro Schulden. Für den Haushaltsentwurf gab es zwei Kürzungsrunden, am Ende musste die Rücklage bei der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft herhalten, um die Lücke zu schließen. Wie ernst ist die Lage?
Der Haushalt ist ausgeglichen, das will ich betonen. Für solche Fälle hatten wir die Rücklage vorher extra nicht angefasst. Denn wir verfolgen eine langfristige Strategie über viele Wahlperioden hinweg. Salzgitter ist mit seinen Großunternehmen in guten wie in schlechten Zeiten verheiratet. Wichtig ist: Unsere Region ist besser aus der Krise herausgekommen. Auch das Problem bei den Stahlpreisen wird sich hoffentlich regeln. Wir können zwar nie im Luxus leben, aber unsere Aufgabe erfüllen. Eins ist klar: Gegen einen Einbruch bei der Gewerbesteuer von 100 Millionen Euro wie 2008 kann niemand ansparen.
Aber der Sparkurs geht weiter. Sie haben dazu aufgerufen, alle Investitionsmaßnahmen für 2013 zu prüfen, egal ob ZOB-Umbau, den Marktplatz in Bad, die Seepromenade oder die Renovierung im Hallenbad. Welche Projekte sehen Sie kritisch?
Wie haben viele Projekte, die können wir uns vielleicht leisten, müssen wir aber nicht. Priorität haben Bildung und das Verhindern des Bevölkerungsrückgangs. Ich muss mich fragen, bewirken wir in dieser Richtung etwas. Beim ZOB habe ich nicht unbedingt den Eindruck. Das stelle ich eher auf den Prüfstand als den Schulausbau. Alles andere müssen wir uns überlegen.
Ihr Aufruf klang nach einem Appell für einen parteiübergreifenden Konsens. Wollen Sie die Sparmaßnahmen im Finanzausschuss diskutieren oder planen Sie vorab eine Gesprächsrunde mit den Fraktionssprechern?
Dazu sind die Haushaltsberatungen da. Ich sehe keinen Anlass zu Sondergesprächen. Es ist alles eine Frage der Prioritäten. Ich schlage etwas vor, die Politik muss sehen, wie sie damit umgeht. Die Vorlagen sind auf dem Weg und wir gucken, wo wir die Schwerpunkte setzen.
Eher in die Kategorie Wunschprojekt gehört sicher das Mobilitätsmuseum in Salder. Wieso will sich die Stadt solch ein teures Projekt auf Dauer aufladen?
Das würde ich so nicht stehen lassen. Es gibt die klare Ansage, das Projekt kommt nur, wenn die wesentlichen Investitionskosten von Dritten bezahlt werden. Wenn 95 Prozent für solch ein Leuchtturmprojekt übernommen werden, sollten wir fragen: Ist das Luxus oder befördert und das in eine neue Liga? Ich sehe das als große Chance. Wenn es nicht bezahlbar ist, dann geht es nicht. Aber das will ich klären. Auf jeden Fall wird kein Steuergeld verschwendet. Vieles kommt mir in der Debatte etwas zu kurz.
Sie wollten schon Ende 2012 die Entscheidung treffen. Sie waren im Wissenschaftsministerium, das von einer Finanzusage bisher absieht. Wie ist der Stand der Dinge?
Die Ministerin stuft das Mobilitäsmuseum als interessantes und unterstützendwertes Projekt ein, wenn das Thema genauer herausgearbeitet wird. Es geht um die Fragen, wo ist das Highlight und was ist die Marke? Das müssen wir nun gemeinsam festlegen mit externer Hilfe. Das Ministerium will dahingehend Vorschläge machen, wer für diese Aufgabe infrage kommen könnte. Auf jeden Fall gab es keine Absage für eine mögliche Finanzierung. Sonst wäre ich zurückgekommen und die Sache wäre erledigt. Wichtig ist mir auch die breite Unterstützung der Region. Das ist nicht nur ein Salzgitter-Projekt oder ein Eisenbahnmuseum. Es geht um die Entwicklung des Wirtschaftsraumes, der durch Mobilität geprägt wurde. Es geht um Gemeinschaftsgeist, die gesamte Region soll profitieren. Das Mobilitätsmuseum ist dabei als ein Projekt gesetzt und wird akzeptiert. Die Alstom-Exponate sind dabei nur ein ganz kleiner Teil.
Aber wenn es um solch ein Leuchtturmprojekt geht, sollte das nicht an der Autobahn liegen, um die Belastung durch die Besucherströme klein zu halten und das Objekt optimal anzubinden?
Am Anfang ging es um die Entwicklung des Schlosses Salder als überregionalen Anziehungspunkt. Dort gibt es schon Aspekte der Mobilität. Es gibt nun mehrere Standortflächen, die geprüft wurden. Wenn es dort geht, wäre es schön. Wenn nicht, wäre ich der Letzte, diesen Weg nicht zu korrigieren. Wir sollten aber zumindest darüber nachdenken dürfen.
Zurück zu den Finanzen. Nachbarkommunen wie Goslar oder Hildesheim haben sich die Städte durch einen Zukunftsvertrag um viele Millionen Euro entschuldet. Warum macht das Salzgitter nicht?
Wir sind gut aufgestellt und haben eine Überlebensstrategie. Ein Zukunftsvertrag heißt, ich sehe keine eigene Perspektive mehr. Damit gebe ich die kommunale Selbstverwaltung auf. Das Land greift ein. Ich halte das nicht für ein positives Signal. Wir haben vor sechs Jahren einen eigenen Weg begonnen und die Ursachen angefasst. Der Rückgang bei den Bewohnern schwächt sich ab. Die Investitionen in die Bildungen wirken langfristig, von der Beitragsfreiheit in den Kitas profitiert die Stadt. Wir haben 48.000 Arbeitsplätze und müssen nur die Leute hier halten und sie qualifizieren, dass sie die Jobs erledigen können. Das führt später zu geringeren Sozialausgaben, da rechnen wir aber in Dekaden.
Die Prognosen sind dagegen eher düster. Etwa 20.000 Einwohner weniger bis 2030. Welche Entwicklung erwarten Sie bei der Bevölkerung?
Die bekannten Statistiken werden mathematisch erstellt und vernachlässigen die örtlichen Begebenheiten. Geduld ist gefragt und die Beobachtung der Entwicklung. Wir haben uns in einem großen Beteiligungsprozess eine langfristige Strategie gegeben, von der Linie dürfen wir nicht abweichen. Nur weil es vielleicht nicht sofort wirkt.
Das Geld im Haushalt ist knapp, dafür kommen Millionen von anderer Stelle. Der Konradfonds ist 2012 angelaufen. Wie groß ist die Antragsflut?
Wir haben ungefähr eine Antragssumme von 5,1 Millionen Euro, es stehen 2,1 Millionen zur Verfügung. Mehr geht auch nicht, denn wir haben derzeit nur die Bundesmittel, also etwa 700.000 Euro im Jahr. Die Energiewirtschaft zahlt erst, wenn eingelagert wird und alle Bewilligungsvoraussetzungen gegeben sind. Wir haben also kein Füllhorn mit 100 Millionen Euro, wie mancher denken mag. Die Richtlinien wurden im Dezember festgelegt. Wir wollen nachhaltig in das Ehrenamt sowie in die Kinder- und Jugendarbeit investieren, vor allem gute Strukturen unterstützen. Für Baumaßnahmen gibt es kein Geld.
Rechnen Sie noch mit einer Kehrtwende bei der Endlagerpolitik und dass Schacht Konrad am Ende doch nicht kommt?
Seit Fukushima lässt sich nichts mehr ausschließen. Unsere Linie war immer, dass es am besten ist, wenn der Schacht nie in Betrieb geht.
Müsste die Stadt die bereits erhaltenen Bundesmittel dann zurückzahlen?
Wenn der Schacht nicht in Betrieb geht, kommt von den Energiekonzernen sicher kein Cent. Der Bund würde die Zahlungen einstellen, es gibt aber keine Rückgabepflicht. Die Belastungen für die Stadt im Vorfeld sind ohnehin schon da. Deshalb halte ich es für legitim, das erhaltene Geld zu behalten.
Was erwarten Sie als Reaktion auf das Gutachten zu den Gefahren der Atommülltransporte. Wie sehen Sie die Restrisiken?
Das Wichtigste ist die absolute Sicherheit und Transparenz für die Menschen. Deshalb war auch das Parallelgutachten wichtig, das der Rat in Auftrag gegeben hat. Das Bundesamt für Strahlenschutz muss diese Hinweise ernst nehmen und überprüfen, ob die Transporte wirklich so sicher sind wie im Verfahren bisher angenommen. Wir sind der Auffassung, die Sicherheitsfrage muss am Worst Case ausgerichtet werden und nicht an den Mittelwerten.
Letztes Jahr wurde das 70-jährige Bestehen der Stadt gefeiert. Auf was kann sich Salzgitter 2013 freuen?
Auf Kontinuität. Es stehen zwar keine Jubiläen an, aber wir überlegen, ob wir uns jedes Jahr ein Motto geben. Für 2013 klappt das nur nicht mehr. Nach runden Geburtstagen muss man ja auch erstmal regenerieren. Salzgitter bietet ohnehin viel. Es gibt kein Wochenende, an dem nicht irgendwo etwas los ist. Ich habe deshalb keine Angst vor Langeweile – und die Bürger sicher auch nicht.