Architekturführung stellt Martin-Luther-Kirche in Salzgitter-Bad vor
Führten Interessierte durch die Martin-Luther-Kirche: Architekt Ulrich Hausmann, Kirchenvorstandsvorsitzende Beate Köbrich und Denkmalpfleger Ulrich Knufinke. Fotos: rk

Architekturführung stellt Martin-Luther-Kirche in Salzgitter-Bad vor

SZ-Bad. „Achtung modern!“ hieß es Anfang Juli in der Martin-Luther-Kirche. Die Braunschweigische Landschaft hatte zur Architekturführung durch das Bauwerk eingeladen. Auch wenn nur zehn Zuhörer kamen, sie erfuhren so einiges über einen Schatz der 60er und 70er Jahre. Denn die Architektur dieser Zeit hat im Braunschweiger Land eine große Zahl bemerkenswerter Gebäude und Ensembles hervorgebracht.

Beate Köbrich, Kirchenvorstandsvorsitzende der Gemeinde Noah, und Dr. Ulrich Knufinke vom Landesamt für Denkmalpflege, führten die Besucher durch die Martin-Luther-Kirche, informierten über bauliche Details und stellten die jeweils eigene persönliche Beziehung zu diesem Sakralbau der Moderne vor. Erbaut zwischen 1967 und 1971 gehört sie zu den am besten erhaltenen Sichtbeton-Kirchen der Nachkriegszeit in der Region.
Wie nur in wenigen Fällen sind hier die originalen Oberflächen und Materialien weitgehend unverändert und ohne störende Anstriche zu sehen. Rauer Beton, klares Glas sowie warmes Holz und einige künstlerisch gestaltete Ausstattungsstücke im Inneren verbinden sich zu einem bemerkenswerten Bauwerk. Die äußerst differenzierte Bauskulptur mit ihrem markanten Turm und der streng rechtwinkligen Kirche entwarf der Braunschweiger Architekt Ulrich Hausmann, der in dieser Zeit etliche Kirchen realisieren konnte. Sein Werk steht in herausragender Weise für das Entwerfen und Bauen der 1960er Jahre, als besonders die moderne Sakralarchitektur ihren Höhepunkt erlebte.
„Die Lutherkirche stellt die Architektur der später 60er Jahre in einer sehr reinen Form dar“, so Dr. Ulrich Knufinke. Er vergleicht sie mit einer „Skulptur aus Beton, Glas und Holz“, die vielen individuellen Entwurfsentscheidungen machten sie zu einem „eigenständigen Raumkunstwerk“. Das Schroffe und Spröde stehe im Vordergrund. Es ist laut Dr. Ulrich Knufinke darum gegangen, „auf alle Schnörkel, auf allen Prunk und Protz zu verzichten“. Der Architekt haben nur aus dem Material die ästhetischen Reize ziehen wollen. „Das ist wunderbar gelungen. Alles ist sehr echt und offen sichtbar.“ Diese Schlichtheit führt der Experte nicht auf Kostengründe zurück. Diese Betonarchitektur sei eine handwerkliche Architektur, keine Massenware oder Fertigteile. „Das wurde vor Ort von den Betonbauern sehr präzise gefertigt“, erklärt der Denkmalpfleger. „Das war sicher nicht billig.“ Marmor und Stuck wären vermutlich aber noch teurer gewesen. Die Lebensdauer ist nahezu unbegrenzt, bisher weist die Martin-Luther-Kirche kaum Schäden auf. Der Beton wurde auch außen nicht bearbeitet oder angestrichen. „Das ist ein Glücksfall und kommt selten vor.“ Von den herkömmlichen Wartungsarbeiten ist aber auch solch ein Betonbau nicht befreit.
Die Architekturführungen der Braunschweigischen Landschaft finden im Rahmen der Sonderausstellung „Brutal modern. Bauen und Leben in den 60ern und 70ern“ statt, die das Braunschweigische Landesmuseum zeigte. Im Mittelpunkt stehen die Bauten der Moderne, die das Bild unserer Städte bis heute prägen und selbstverständlicher Teil des Alltags geworden sind.
Rund ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung sind sie jedoch in die Jahre gekommen, und an vielen Orten stellen sich ganz aktuell die Fragen nach Erhaltung, Umnutzung oder Abriss, nach Wertschätzung und Denkmalwert.
Mit einem diskursiv angelegten Begleitprogramm – so auch mit den Rundgängen der Reihe „Achtung modern!“ – soll ein Forum für den Dialog zwischen der Öffentlichkeit, den Nutzern sowie den Architekten und Denkmalpflegern entstehen, um die Bedeutung und die Zukunftsfähigkeit der Architektur der 1960er und 70er Jahre neu zu bewerten.