„Herr von Grau“: Rap-Stars mit Heimatgefühlen
Gifhorn/Berlin. „Herr von Grau“ – in der Rap- und Hip-Hop-Szene haben sich die beiden Musiker Benny und Kraatz seit der Veröffentlichung ihres ersten Albums im Jahr 2007 einen Namen gemacht. Regelmäßig sind die Rapper mit Niveau umjubelte Acts auf Musikfestivals in ganz Deutschland und darüber hinaus – nicht selten als Headliner. Weniger bekannt ist, dass Kraatz aus Gifhorn stammt und Benny aus Wolfsburg. Der Gifhorner Rundblick hat sich exklusiv mit den in Berlin lebenden und arbeitenden Musikern unterhalten.

Freiflug heißt das neue Album des Duos „Herr von Grau“ alias Kraatz und Benny (v. links). Mit dem Rundblick sprachen sie über ihre Musik, ihre Texte und ihre Heimat in der Südheide.
„Das ist ja schön, mal wieder so eine Vorwahl zu sehen“, freut sich der in Gifhorn aufgewachsene Kraatz, als das Telefon klingelt und die Rundblick-Redaktion dran ist. Die Ruhe der Südheide vermisst der DJ, Manager und Aufnahmeleiter in Berlin immer wieder. „Außerdem habe ich sehr schöne Erinnerungen an die Wiesen am Schlosssee. Da habe ich auch meine musikalische Jugend verbracht“, erinnert er sich. Bei unzähligen „Freestyle-Sessions“ sei er dort dabei gewesen. Bei diesem Freistil-Rap entsteht der Sprechgesang spontan: Mit rhythmischer Begleitung aus dem Ghetto-Blaster oder Beat-Box (ein nur mit dem Mund imitiertes Schlagzeug) sprudeln aus den Freestylern Verse und Reime, die es Sekunden zuvor nicht gegeben hat.
Für Benny, der Beats kreiert, die Texte schreibt und rappt, sind zwei Wolfsburger Jugendzentren die musikalische „Kinderstube“: „Dem ehemaligen Kaschpa und dem Jugendhaus Ost habe ich viel zu verdanken.“
Musikalisch lassen sich die Rapper von unterschiedlichsten Stilrichtungen beeinflussen: Elektro, Rock und Pop sind stellenweise deutlich herauszuhören. „Und wenn uns mal ein klassisches Stück inspiriert, würden wir auch davor nicht zurückschrecken“, erklärt Benny.
Mehr als bei allen anderen Musikrichtungen steht beim Rap der Text im Vordergrund – auch bedingt durch die Dichte und Zahl der schnell aneinander gereihten Wörter.
Manche Songs von „Herr von Grau“ frönen einem herzerfrischendem Blödsinn, der auch von Heinz Erhard oder Christian Morgenstern hätte stammen können: „Nicht jeder, der was anzieht, ist ein Magnet, nicht jeder, der mal irgendwas plant, ist ein Planet“, heißt es in dem Song „Nicht jeder“, in dem die beiden Wortjongleure dem Hörer Staffetten witziger Spitzfindigkeiten um die Ohren rappen.
Viele Stücke verbreiten hingegen eine kalte, bedrückende Atmosphäre, wie der Bandname schon andeutet. „Oft stelle ich mir fürs Schreiben einen Fantasie-Ort vor, um diese Stimmung zu erzeugen“, verrät Benny. „Das ist ein altes, verlassenes Fabrikgelände.“ Wer in eine der bisher sechs erschienenen Alben hineingehört hat, wird diesen irrealen Ort sicher wiederfinden.
Abgesehen vom Tempo des Vortrags sind die Aussagen der Texte leicht zu verstehen. So begreift der Hörer bei dem Song „Heldenplätze“ von dem gleichnamigen Album sofort: Zwischen Mut und Dummheit gibt es eine schmale Grenze. Manchmal führt ein scheinbar mutiges Verhalten nicht auf den Rathausbalkon, sondern nur ins Krankenhaus.
Bei mehrfachem Hören wird die Vielschichtigkeit deutlich; Aussagen und Andeutungen sind in den Zeilen ebenso zu finden wie dazwischen.
Seit dem vergangenen Freitag ist nun das neue Album auf dem Markt: „Freiflug“ heißt die neue Scheibe von „Herr von Grau“. In dem bereits veröffentlichten Titelsong beschreiben die Musiker die Freiheit, die sie beim Komponieren und Aufführen haben – eine Hommage an die Rap-Musik. Für Freunde des anspruchsvollen Deutsch-Raps ein echter Tipp.
Die „Freiflug“-Tour führt die Rapper in den kommenden Monaten durch Deutschland und die südlichen Nachbarländer. Der nächstliegende Auftritt ist am 22. Oktober im Musikzentrum in Hannover.
Zum Ende des Rundblick-Gesprächs verrät Kraatz: Ich würde mal wieder gern in der Grille auftreten, wie damals mit unserer Gifhorner Truppe „Die Chaotischen Drei“. Kenner der deutschen Sprechgesang-Szene sollten die Parallele in dem Bandnamen erkennen …
Und Benny ist sicher: „Im Wolfsburger Hallenbad treten wir bestimmt auch mal wieder auf.“