Salzgitter-Thiede: Bürgerinitiative weiter gegen ein Gewerbegebiet
Eberhard Hentschel und Cora Wolf sorgen sich um die Lebensqualität in 16 Dörfern und Stadtteilen, die in der Nähe des geplanten Industriegebiets liegen. Foto: oh

Salzgitter-Thiede: Bürgerinitiative weiter gegen ein Gewerbegebiet

SZ-Thiede. In der Debatte um das geplante Industrie- und Gewerbegebiet zwischen Salzgitter und Braunschweig meldet sich die Bürgerinitiative NEIN zu Wort. Von der Präsentation der Machbarkeitsstudie durch die beiden Oberbürgermeister Frank Klingebiel und Ulrich Markurth sind die Vorstandsmitglieder „maßlos enttäuscht“.

Mit diesen Worten kommentiert der BI-Vorsitzende Eberhard Hentschel den Auftritt in der öffentlichen Informationsveranstaltung in Braunschweig, in der sich die beiden OBs für die Chancen eines Gewerbegebietes stark gemacht haben. „Die Sorgen der Bevölkerung, mehr Schwerlastverkehr sowie eine stark zunehmende Lärm- und Luftbelastung an 365 Tagen im Jahr, 24 Stunden jeden Tag, haben kaum eine Rolle gespielt.“
Aber nicht nur die möglichen Belastungen sorgen für Kopfzerbrechen bei den Anwohnern. „Wir haben vor allem große Zweifel, ob eine Prognose über einen Zeitraum von 20 Jahren überhaupt seriös ist“, ergänzt Cora Wolf, Sprecherin des BI-Arbeitskreises Öffentlichkeitsarbeit, „es wird in den kommenden Jahren nicht an Arbeitsplätzen fehlen, sondern – im Gegenteil – an Facharbeitern.“ Bei den genannten Zahlen sei nicht klar, ob es sich um sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen handelt oder um geringfügig Beschäftigte und ob die zu erwartenden Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung berücksichtigt worden sind.
Die BI widerspricht auch der Behauptung, dass es in Salzgitter keine Industrieflächen mehr gebe. Die großen Industrieunternehmen verfügten über erhebliche ungenutzte Areale, die aktiviert werden könnten. „Da müssen wir nicht noch mehr guten Boden versiegeln“, so Eberhard Hentschel.
Die Einwohner der Kanaldörfer können nach seinen Worten nicht verstehen, warum sich „eine so hoch verschuldete Stadt wie Salzgitter in ein solch finanzielles Wagnis stürzen will“. Auf ihrem Rücken werde alles ausgetragen. „Die Lasten nach Salzgitter, die Vorteile nach Braunschweig. Das ist mein Eindruck“, schreibt Eberhard Hentschel.
Zu den Lasten zählt die BI unter anderem den Schwerverkehr. Das Versprechen von Lkw-Durchfahrts-Verboten ist aus ihrer Sicht „unrealistisch und nichts als eine Beruhigungspille“. Dabei verweist sie auf ein in der Studie genanntes Ziel der Stadt, „großflächige (Logistik-)Betriebe anzusiedeln, die im Dreischichtbetrieb organisiert sind und entsprechend auch in der Nachtzeit mit hohen Schallemissionen verbunden sein können“. Darüber hinaus gibt es in der BI große Zweifel an den Versprechen der Oberbürgermeister, dass „keine Drehscheibe für Atommüll entsteht“.
Ein Gewerbegebiet, das die Menschen in 16 Dörfern und Stadtteilen betreffe und größer sei als Thiede und Steterburg zusammen, ist für Cora Wolf auch ein ökologisch fataler Fehler. „Blühende Landschaften verschwinden unter Beton.“ Wie Ulrich Hentschel stellt sie die Objektivität der Machbarkeitsstudie in Frage. Es gehe nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.

CDU-Fraktion will weiter untersuchen, die M.B.S. wägt noch ab
Auch die Fraktionen im Rat äußern sich zum Gebiet und der Studie. „Die Präsentation der Machbarkeitsstudie ist Verpflichtung und Auftrag
zugleich“, begrüßt die CDU-Fraktion in einer Pressemitteilung, „dass die Verwaltungen die Prüfung der Umsetzung ergebnisoffen fortführen“. Die Flächen werden heute intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet, sind touristisch nicht erschlossen und dienen auch in keiner Weise einer gewöhnlichen Freizeitnutzung, da weder Wander- noch Radwege vorhanden seien, so Fraktionsvorsitzender Rolf Stratmann. Die CDU werde weiteren Untersuchungen zustimmen. „Uns ist wichtig, dass wir in unserer Stadt und Region auch künftig gut und gerne leben können.“ Die M.B.S.-Fraktion hält sich mit einem Votum zurück. Sie will „die Pros und Contras der Ersteller der Studie und die der Bürgerinitiativen abwägen und ausführlich beraten“. Dabei gehe es unter anderem um Arbeitsplätze, Straßenverkehr, Sicherung der Wirtschaftsregion, Umwelt- und Klimaschutz oder Lärmbelästigung.