Flüchtlinge büffeln für den Führerschein
Gemeinsames Lernen für die theoretische Fahrprüfung: (von links) Maryam Khorshidipaehi, Elmar Schönthaler, Kimiya Farjad und Mojtaba Ghasemi.Photowerk

Flüchtlinge büffeln für den Führerschein

Von Jörn Graue
Gifhorn. Vier Spielzeugautos auf dem Tisch, eine Tafel mit aufgemalten Verkehrssituationen an der Wand und Fragebögen auf den Tischen: Fast so wie beim Theorieunterricht in einer Fahrschule geht es zwei Mal wöchentlich in einem Raum in der Kreisvolkshochschule Gifhorn zu. Dann sitzen zwei junge Frauen und ein Mann aus dem Iran mit zwei Syrern zusammen, um gemeinsam mit Elmar Schönthaler für die Führerscheinprüfung zu lernen. Der Besuch bei der Gruppe ist der Auftakt für eine neue hallo-Serie, die sich in loser Folge mit Flüchtlingen im Landkreis Gifhorn beschäftigen wird.
Hintergrund: Die Fahrerlaubnis von Menschen aus Staaten, die nicht der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum angehören, ist in Deutschland in der Regel sechs Monate lang gültig. Nach Ablauf dieser Frist wird „der Lappen“ erst nach erfolgreich bestandener theoretischer und praktischer Fahrprüfung für den Straßenverkehr in Deutschland wieder ausgestellt. Bis es so weit ist, haben gerade Flüchtlinge, die zunächst die deutsche Sprache erlernen müssen, einen oftmals langen Weg vor sich.
Vor allem die häufig technokratische Sprache in den Fragebögen stellt Elmar Schönthaler zufolge Menschen aus anderen Ländern vor große Herausforderungen: „Wenn ein ausgeschlagenes Kugelgelenk der Spurstange zu großes Spiel des Lenkrades verursacht, wird es schwierig“, nennt der pensionierte Berufsschullehrer ein Beispiel für die Komplexität des Deutschen.
„Die Fragen sind sehr schwer“, sagt Maryam Khorshidipaehi. Die 24-Jährige lebt mit ihrer Familie seit 15 Monaten in Deutschland. „Am Anfang ging es langsam voran, inzwischen läuft es schon besser“, blickt die junge Frau, die im Iran Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat, auf die vergangenen Monate in der Lerngruppe zurück.
„Um einen Job zu finden, ist Mobilität sehr wichtig“, sagt ihr 44-jähriger Landsmann Mojtaba Ghasemi. Der Familienvater ist dankbar für die Unterstützung von Elmar Schönthaler und zweier deutscher Familien. Bei seiner Ankunft vor knapp zweieinhalb Jahren wollte er möglichst sofort beginnen, Deutsch zu lernen, musste allerdings länger auf einen freien Platz in einem Sprachkursus, den er für sich und seine Ehefrau selbst bezahlt hat, warten. Dennoch fallen seine ersten Erfahrungen in der Mühlenstadt rundherum positiv aus: „Deutsche sind nett und freundlich“, hat der einstige Geschäftsführer einer Firma, die Fahrstühle montiert, in der Vergangenheit festgestellt.
Elmar Schönthaler bietet den Kursus in der Kreisvolkshochschule ehrenamtlich an. Auf die Frage nach der Motivation für sein Engagement nennt er gleich zwei Gründe: „Ich helfe, weil die Menschen, die in diesen Kurs kommen, hart arbeiten, um hier Fuß zu fassen, und weil sie es ohne Unterstützung kaum schaffen.“
Den eingeschlagenen Weg der Bundesregierung beim Thema Integration sieht er kritisch: „Frau Merkel hat noch nicht einmal Plan A, die Kommunen und die Ehrenamtlichen müssen das Politikversagen ausbaden.“ Dennoch macht Schönthaler sein Ehrenamt nach eigener Aussage viel Freude: „Man bekommt viel von den Menschen zurück.“
Ein beachtlicher Erfolg: Mojtaba Ghasemi hat die Führerscheinprüfung als erster bereits bestanden, die Anmeldung der übrigen Teilnehmer steht bevor. Für Herbst peilt Elmar Schönthaler eine Fortsetzung des Angebots an.