Wolfsburg: Polizei sagt Internetphänomen „Sexting“ den Kampf an
Wollen in Sachen „Sexting“ besser aufklären: (v.l.) Kriminalhauptkommissar Frank Klaukien, Severine Schellerer (Streetlife), Eve Bernhardt (Medienzentrum), Varolin Schnepf (Jugendberatung), Stella Werre (Jugendberatung), Simona Wabnick (Jugendförderung), Gunnar Czimczik (Stadtjugendpfleger), Claudia Krebs (THG) und Kriminalhauptkommissar Mario Dedolf. Photowerk

Wolfsburg: Polizei sagt Internetphänomen „Sexting“ den Kampf an

Wolfsburg. Sarah (16) ist frisch verliebt. Das Vertrauen zu ihrem Freund Oliver (17) ist dementsprechend groß. Sorglos greift sie zu ihrem Smartphone, schaltet die Selfie-Kamera ein, und fotografiert sich, leicht bekleidet, in erotischen Posen. Mit ein paar Fingerbewegungen schickt sie das Foto an Oliver. Und selbst wenn dieser die Fotos niemandem zeigt: Mit dem Abschicken des Bildmaterials ist es Teil des Internets. Löschen? Fehlanzeige.
Das Internet jedenfalls ist voll von solch intimen Fotos. „Bei Google findet man zuhauf Erlebnisberichte, von in dieser Weise geschädigten Menschen“, weiß auch Olaf Gösmann, Leiter der Polizeiinspektion Wolfsburg-Helmstedt. „Sexting“ nennt man diese heutzutage weit verbreitete Art des Flirtens unter Jugendlichen, bei der eigenes, intimes Bildmaterial freiwillig verbreitet wird. Ein keineswegs Neues, aber weiterhin hoch aktuelles Phänomen, aus dem zahlreiche Formen von Kriminalität erwachsen: von Cyber-Mobbing über Erpressung bis hin zu Verbreitung von Kinderpornografie und Cyber-Grooming sowie sexuellem Missbrauch.
Die Polizei Wolfsburg hat diesem Phänomen den Kampf angesagt. Zusammen mit dem Projekt „Streetlife“, der Jugendförderung sowie der Jugendberatung der Stadt Wolfsburg, dem Medienzentrum, dem Verein Dialog sowie Vertretern der Schulen wurde ein Arbeitskreis gegründet, der sich mit dem Umgang mit Bildern und Texten sowie den digitalen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen auseinandersetzt. Ein Schwerpunkt dabei ist das Sexting.
Ziel des Arbeitskreises ist es, eine gemeinsame Haltung und Vorgehensweise zum Thema zu entwickeln, um dadurch die Basis für eine langfristige und nachhaltige Aufklärungsarbeit zu schaffen. Zu diesem Zweck wird ein Leitfaden erarbeitet, der es Fachkräften aus Schulen, Vereinen, Kirchen und Verbänden vereinfachen soll, den richtigen Ansprechpartner zu finden und ihnen Handlungssicherheit geben soll. „Dafür wollen wir auch Multiplikatoren ausbilden“, so der Beauftragte für Jugendsachen der Polizeiinspektion Wolfsburg-Helmstedt, Kriminalhauptkommissar Frank Klaukien.
Die Arbeitsgruppe wird vor allem viel Aufklärungsarbeit leisten müssen. „Jugendliche nutzen die neuen Medien oftmals viel zu sorglos. Bei allen Vorteilen hat die Digitalisierung auch Schattenseiten“, betont Gösmann. „Es ist erschreckend, welche Medienabdeckung schon bei Fünftklässlern vorhanden ist, ohne dass sie eine Anleitung zur Nutzung erfahren“, spricht Eve Bernhardt vom Medienzentrum aus Erfahrung. Phänomene wie Sexting verbreiten sich bei immer jüngeren Menschen. „Wir müssen die Kinder und Jugendlichen deshalb dafür sensibilisieren, was sie von sich selbst preisgeben“, sagt Klaukien. Auch die Eltern sollen und müssen dabei mit ins Boot geholt werden, ist die Arbeitsgruppe überzeugt. Denn: „Eltern nutzen die Medien teilweise noch unreflektierter als ihr Kinder“, sagt Stadtjugendpfleger Gunnar Czimczik. Auch sie müssten über die Gefahren aufgeklärt werden, damit sie das Medienverhalten ihrer Kinder besser einordnen können.

Was ist „Sexting“?

Unter Sexting versteht man den „privaten Austausch selbst produzierter erotischer Fotos per Handy oder Internet“. Dabei kann ein versendetes Bikinifoto oder ein „oben ohne Sixpack-Bild“ ebenso als Sexting durchgehen wie ein Bild, auf dem sich ein Mädchen mit tiefem Ausschnitt in lasziver Pose oder gar oben ohne zeigt.

Sexting ist bei Jugendlichen mittlerweile sehr populär. Die erotischen Bilder oder Videos werden am häufigsten innerhalb einer Partnerschaft oder zum Flirten verschickt. Auch wenn Sexting oft völlig unproblematisch verläuft, kann es für die Abgebildeten sehr unangenehme Folgen haben, wenn die Aufnahmen in die falschen Hände geraten oder öffentlich im Internet landen. Gehen etwa Beziehungen oder Freundschaften in die Brüche, werden intime Aufnahme oft aus Rache an Außenstehende weitergeleitet oder zur Erpressung verwendet. Sind solche Bilder einmal in Umlauf gebracht, besteht jedenfalls so gut wie keine Möglichkeit mehr, deren Verbreitung zu stoppen.

Wenn Fälle von Sexting diskutiert werden, dann ist auch immer vom Straftatbestand der Kinder- und Jugendpornografie und von den zahlreichen strafrechtlichen Konsequenzen die Rede. Das Verbreiten und Veröffentlichen erotischer Fotos Minderjähriger gilt als Kinderpornografie und ist somit illegal. Das einvernehmliche Tauschen von eigenen pornografischen Fotos oder Videos ist ausschließlich zwischen zwei Jugendlichen ab 14 Jahren straffrei. Es bleibt aber weiterhin verboten, diese Fotos anderen zu zeigen oder an Dritte weiterzuleiten.