VW Salzgitter: Mit neuer Struktur in die Zukunft
Ein 200-PS-Motor passt in Zukunft in eine Sporttasche: Projektleiter Andreas Baum erklärt Journalisten in den VW-Werkshallen die Funktion der E-Maschine. Foto: rwe

VW Salzgitter: Mit neuer Struktur in die Zukunft

SZ-Watenstedt. Der Volkswagen-Konzern steht vor dem womöglich größten Umbruch seiner Geschichte. Die Elektromobilität steht im Fokus der Entwicklung, in deren Zuge das Unternehmen neu strukturiert wird. Zum 1. Januar wurde eine weitere Marke eingeführt: Mit dem Volkswagen Konzern Komponente will das Unternehmen seine hausinternen Zulieferer von unter anderem Motoren, Getrieben, E-Antrieben, Lenkungen oder Sitzen stärken. Im Mittelpunkt steht dabei auch das Werk in Salzgitter, dem eine zentrale Bedeutung zukommt.

80.000 Konzernmitarbeiter in 61 Werken weltweit sind betroffen, die Einheit zählt laut VW vom Start weg zu den größten Zulieferern in der Automobilbranche. Die Präsentation der Umbaupläne für die Komponentenstruktur erfolgte am Standort in Salzgitter, denn dort wird unter anderem an der Antriebstechnik und Fertigungsstrategien gebarbeitet, damit sich die E-Motoren eines Tages auch in Großserie produzieren lassen (hallo berichtete).
Zudem sollen 240 Entwickler und Fertigungsplaner in ein „Center of Excellence“ ziehen, um nachhaltige Batteriezellkompetenz für den Konzern aufzubauen. Das ist der zweite wichtige Bereich, den VW in Watenstedt aufbauen will. Es geht um die „End-to-End-Verantwortung für die Batterie“. Sie ist für VW ein Schlüsselthema, will der Konzern weiter vorne mitfahren. Um Ressourcen zu sparen, will der Autobauer voran kommen. Von der Zellfertigung bis zum Recycling reicht die Aufgabe. 97 Prozent des Materials soll eines Tages wiederverwendet werden. „Ein wichtiger Schritt für den ganzen Konzern“, so Dr. Stefan Sommer, der als Konzernvorstand Komponente und Beschaffung die Ideen vorstellte: „Wir richten die Konzern Komponente konsequent markenübergreifend aus und stärken damit die Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt schärfen wir das Profil in Sachen E-Mobilität“, heißt es in einer Pressemittelung des Konzerns.
Auch wenn der Bedarf vor allem an Benzinmotoren noch bis zu den Jahren 2021 und 2022 zunehmen dürfte, soll danach die E-Mobilität immer stärker an Bedeutung gewinnen, so der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Konzern Komponente, Thomas Schmall. „Wir heben Effizienzen in aktuellen Geschäftsbereichen und richten die Konzern Komponente mit neuen Aktivitäten in der E-Mobilität zukunftsfähig aus“, lautet sein Credo. Durch die neue konzernweite Steuerung könnten Effizienzen und Synergien besser realisiert, die Vernetzung zwischen den Standorten gefördert und die Werke markenübergreifend optimal belegt werden.
„Auf Basis des Zukunftspakts haben wir im Zeitraum 2016 bis Ende 2018 in den deutschen Werken bereits über 750 Millionen Euro Kosteneinsparungen nachhaltig erreicht. Im weiteren Verlauf bis 2025 werden wir diesen positiven Ergebniseffekt auf insgesamt zwei Milliarden Euro erhöhen können. Gleichzeitig investieren wir massiv in die E-Mobilität: Allein in 2019 und 2020 fließen konzernweit 870 Millionen Euro in die Fertigung von E-Komponenten“.
Der Wandel von klassischen Antrieben hin zur E-Mobilität beschäftigt die Konzern Komponente, die in 2018 zum Beispiel über zehn Millionen konventionelle Fahrzeugmotoren und über acht Millionen Getriebe gefertigt hat, wie keine andere Unternehmenseinheit. Sicher ist: Mit dem Wechsel von den Verbrennern zu den E-Maschinen gehen aber auch viele Arbeitsplätze verloren. Nicht einmal die Hälfte der Jobs ist nötig, um statt Motor und Getriebe künftig einen vergleichbaren Elektroantrieb herzustellen.
Noch ist es nicht soweit, doch die neue Struktur bringt schon jetzt den Abbau von Beschäftigung mit sich. Gut zehn Prozent der Arbeitsplätze sollen laut VW bis 2023 im Bereich der Komponente abgebaut werden, so Thomas Schmall, allerdings nicht linear gleich an allen Standorten. An Entlassungen oder Betriebsaufgaben ist nicht gedacht, in erster Linie will der Konzern die Flugtuation nutzen und Stellen nicht neu besetzen. Die Folgen gehen auch an Salzgitter nicht spurlos vorbei. 400 Jobs gehen im Werk mittelfristig verloren, hieß es auf hallo-Nachfrage. Es werden auch neue Arbeitsplätze entstehen, dazu wurden aber keine Zahlen genannt.

So will VW die Zukunft gestalten
Bei VW wird die Konzern Komponente wesentliche Wertschöpfungsschritte der sogenannten „End-to-End-Verantwortung“ für Batterien besetzen: Am Standort Salzgitter geht es im neuen Center of Excellence um die nachhaltige Batteriezellkompetenz. In Braunschweig werden Batteriesysteme entwickelt und produziert – künftig markenübergreifend für E-Fahrzeuge auf Basis des MEB. Nach ihrem Einsatz im Auto werden die Batterien teils einer Zweitnutzung zugeführt – zum Beispiel in neuen Produkten wie der flexiblen Schnellladesäule, die ab 2020 am Standort Hannover gefertigt wird. Auch das abschließende Recycling verantwortet künftig die Konzern Komponente. Im ersten Halbjahr 2020 wird dafür eine Pilotanlage in Salzgitter eröffnet, in der der Recycling-Prozess von Hochvolt-Batterien weiterentwickelt wird.

Rat steht hinter
den VW-Plänen
„Das Bemühen des Volkswagenkonzerns, Volkswagen zur Nummer 1 der E-Mobilität zu machen, werden vom Rat und vom Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter unterstützt.“ So lautet eine Resolution, die der Rat der Stadt zur Sicherung des VW-Standortes Salzgitter einstimmig beschlossen hat. Weiterhin fordern die Politiker den Konzern dazu auf, den Standort und die Beschäftigung von Volkswagen in Salzgitter sicherzustellen.