Hochsensibilität: Wenn der Alltag zur Hürde wird – Kursus in Wolfsburg
Zu viele Reize, zu viele Eindrücke: Wer hochsensibel ist, kann mit alltäglichen Situationen schnell überfordert sein. Die Folgen können gesundheitsschädigend sein. wolla2/pixelio.de

Hochsensibilität: Wenn der Alltag zur Hürde wird – Kursus in Wolfsburg

Wolfsburg. Es ist immer von allem zu viel gleichzeitig da. Zu viele Lebenseindrücke, zu viel Familiendynamik, zu viel Perfektionismus, zu viel Mitgefühl, zu viel Wissen… Was für die einen kaum merklich im Alltagsgeschehen integriert ist, ist für andere ein unüberwindbares Hindernis. Für diese Menschen ist es oft schwer im genormten, auf Funktionalität ausgelegten Leben zu bestehen. Sie sind hochsensibel. Aber was bedeutet das eigentlich? Woran merke ich, dass ich hochsensibel bin? Und was bedeutet das für meinen Alltag?

Hochbegabung sinnlicher Wahrnehmung

Hochsensibilität ist eine Hochbegabung der sinnlichen Wahrnehmung. Jeder Mensch nimmt tagtäglich eine Vielzahl an Informationen auf und verarbeitet sie. Dabei wird ein Großteil unbemerkt gelöscht. Genau diese Fähigkeit besitzen hochsensible Menschen nicht. Bei ihnen ist dieser Filter, der notwendig ist, überflüssige Eindrücke auszublenden, aufgrund neurologischer Besonderheiten weniger stark ausgeprägt. Die Folge ist, dass diese Menschen viel mehr Informationen in einer größeren Intensität aufnehmen und verarbeiten müssen.

Andrea Münsterberg, Fachdozentin für Hochsensibilität, weiß genau, wie sich das anfühlt. Als Hochsensible ist sie selbst betroffen, fühlte sich über viele Jahre „falsch“, wie sie heute sagt, dachte, sie sei verkehrt und hat lange versucht, so zu sein wie die anderen – so, wie man es von ihr erwartete. Erst der Burnout öffnete ihr die Augen. Er war der Anfang ihres richtigen Lebens, in dem sie endlich ihren Platz gefunden hat.

Die besondere Gabe  erkennen und annehmen

Natürlich steckt nicht hinter jeder Schüchternheit oder Empathiefähigkeit Hochsensibilität. Und nicht jede Hyperaktivität ist der Tatsache geschuldet, dass zu viele Eindrücke verarbeitet werden müssen. Doch es ist wichtig, die Hochsensibilität zu erkennen – und zu akzeptieren. Denn nur so können der Betroffene und sein Umfeld richtig mit ihr umgehen und das Leben entsprechend ausrichten.

Münsterberg brauchte lange, um zu erkennen, was mit ihr los ist. Bereits als 7-Jährige war ihr klar, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Und lange hat sie keine Worte gefunden. Heute gibt die psychosoziale Beraterin Seminare, hält Vorträge und ist dankbar, anderen Menschen helfen zu können.

Um zu erkennen, dass jemand hochsensibel ist, bedarf es keiner großartigen Erklärungen. „Wer wirklich hochsensibel ist, der hört etwas zum Thema und weiß sofort, dass er betroffen ist“, erklärt Münsterberg. So sei es auch bei ihr gewesen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat ihr Leben vollständig zum Positiven gewendet. Das Leben ist für sie sehr viel einfacher geworden, sie ist neu ins Leben eingestiegen, hat Unsicherheiten und Ängste abgelegt und ihre Berufung gefunden.

Die Akzeptanz in der Gesellschaft fehlt

Was genau Hochsensible intensiv wahrnehmen, ist dabei ganz unterschiedlich, da sich die „Begabung“ sowohl auf die innere als auch auf die  äußere Wahrnehmung erstreckt. Während der eine besonders für Gerüche und Geräusche empfindsam ist, nehmen andere feine Nuancen in zwischenmenschlichen Beziehungen wahr, können manchmal sogar spüren, wenn jemand lügt. Im Alltag müssen Betroffene lernen, damit umzugehen, was gerade in der heutigen schnelllebigen und reizüberfluteten Zeit schwerfällt. Menschenansammlungen, laute Lokale, unüberschaubare Schulen oder große Kindergärten sind ihnen ein Gräuel. Gelingt der Umgang mit ihrer Fähigkeit nicht, reagieren Hochsensible oft mit Schüchternheit, Rückzug und Träumerei. Auch Depressionen, Ängste, Aggressivität, Hyperaktivität oder gar Burnout können Folgen sein.

Die Akzeptanz für Hochsensible ist noch zu wenig ausgeprägt, obwohl 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. „Viele Hochsensible erkranken daran, dass sie verzweifelt versuchen, sich einer Norm anzupassen, die ihnen im wahrsten Sinne des Wortes zu eng ist“, ist sich die Dozentin sicher. Das immense Potenzial bleibe dann völlig auf der Strecke, das könne sich auf Dauer keine Gesellschaft leisten. „Drei Viertel aller Diagnosen werden überflüssig, wenn wir bereit sind, hinter die Fassade zu schauen. Dann erst, wenn die Gesellschaft bereit ist, kann sich der Einzelne entfalten und das zum Ausdruck bringen, wofür er auf der Welt ist“, so Münsterberg.

Kursus Hochsensibilität: „Hochsensibel Eltern sein“ heißt der Kursus von Andrea Münsterberg, der am 31. Januar und 1. Februar, jeweils von 10 bis 17 Uhr, in der Evangelischen Familienbildungsstätte Wolfsburg, An der Christuskirche 3, stattfindet. Die Fachdozentin für Hochsensibilität referiert auch am 24. Februar im Haus der Familie in Braunschweig und am 26. Februar bei der Wolfsburg AG – Forum für Gesundheit. Am 19. Februar startet zudem eine Fortbildung für Pädagogen unter dem Titel „Hochsensible Kinder erkennen, verstehen und begleiten“ in der Familienbildungsstätte Wolfsburg. Weitere Infos unter www.sensibel-gluecklich.de sowie telefonisch unter 05335-4853544.