So drängen Kommunen Salzgitters Schrotthändler vom Markt

So drängen Kommunen Salzgitters Schrotthändler vom Markt

Am Anfang klang es nur nach behördlicher Routine, mittlerweile zittern die kleinen Schrotthändler in Bleckenstedt und Umgebung um ihre Existenz. Mit der Anzeigepflicht ihres Gewerbes im Sommer 2012 kamen nach und nach die Verfügungen aus den Rathäusern, die ihnen das Sammeln mehr oder weniger untersagen. Ihre Arbeit steht nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz „überwiegenden öffentlichen Interessen“ entgegen, heißt es im Amtsdeutsch. Um das Altmetall wollen sich die Kommunen alleine oder ihre Entsorgungsunternehmen kümmern. Auch die Bürger müssen sich umstellen. Während die Schrotthändler für ein Kilo Kupfer schon mal drei bis vier Euro zahlen, gibt der Städtische Regiebetrieb keinen Cent mehr für das Altmetall.

Ein Knochenjob: Silvio Jennebach wuchtet auf dem Schrottplatz in Heerte eine Eisenkarre von seinem Wagen. In Salzgitter darf er keine kleinen Altmetallteile mehr sammeln.

Silvio Jennebach ist im Lastwagen groß geworden. Schon als fünjähriger Steppke saß er bei Vater und Opa im Füherhaus, wenn Schrott gefahren wurde. „Ich kann ehrlich gesagt nichts anderes“, sagt der 22-jährige Bleckenstedter, der in vierter Generation die Familientradition fortsetzt und täglich bis Magdeburg oder in den Harz düst, um an Metalle aller Art zu kommen.

„Wir waren
ahnungslos“

Erst vor einem Jahr legte er sich für 30.000 Euro einen gut erhaltenen Kranwagen zu. Jennebach hätte wohl damit gewartet, wenn er geahnt hätte, was sich da seit Juni 2012 mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz über ihm zusammenbraute.  „Wir waren ahnungslos“, klagt auch Mutter Cornelia. Über Jahrzehnte hat sich die Familie vom Schrott ernährt, das Altmetall bei Firmen und Privatleuten mitunter aus dem Keller geholt. Ob  Grill, Kinderschaukel, Heizungsrohr oder Gusswanne: Alles landete auf der Pritsche. Schon der verordnete Verzicht auf den Elektroschrott war ein Einschnitt, nun droht der Ruin. „Wir lagen dem Staat nie auf der Tasche und haben unsere Steuern gezahlt. Wenn das alles wahr wird, bleibt nur Hartz IV.“

Die ersten Absagen kamen aus Peine und Wolfenbüttel. „150 Euro mussten wir auch noch dafür bezahlen“, ärgert sich Cornelia Jennebach. Nicht einmal die Industrie- und Handelskammer Braunschweig konnte helfen. Deren Hauptgeschäftsführer appellierte „herzlich“ an den Peiner Landrat, nicht nur formal ohne wirkliche Interessenabwägung zu entscheiden und den Kleingewerbetreibenden nicht die Existenzgrundlage zu nehmen. Doch der Kreis blieb eisenhart. Mittlerweile haben die Händler Einsprüche eingelegt gegen diese und andere Verfügungen.

Ende Februar antwortete auch die Stadt Salzgitter der Familie. Die darf nur noch große Einzelstücke ab 60 Kilogramm sammeln, der Rest ist tabu. Der Grund: Der Städtische Regiebetrieb (SRB) soll nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und auf Beschluss des Rates bis 2015 ein eigenes Tonnensystem für Altmetalle aufbauen. Die Sammlung der Händler verringert den Ertrag und gefährdet laut Stadtverwaltung damit die Gebührenstabilität. Zwar hat der SRB noch gar nicht recherhiert, welche Mengen zu erwarten sind, aber sammeln dürfen die Händler schon jetzt nur noch eingeschränkt. Die Salzgitteraner müssen ihre kleineren Metallteile nun in den Sperrmüll geben oder zur Deponie bringen. „Eine Überlassung an einen fahrenden Händler ist nicht zulässig“, schreibt die Stadt auf Anfrage.

„Der Bürger wird immer mehr entmündigt“

„Der Bürger wird so immer mehr entmündigt“, sagt Michael Posniak, der seit acht Jahren den Schrottplatz in Salzgitter-Heerte betreibt. Seit dem Sommer hat er einen Rückgang von gut 20 Prozent aus dem privaten Bereich zu verzeichnen. Er geht davon aus, dass sich die Kommunen vom Schrott ein lukratives Geschäft erhoffen. Zu der hohen Verwertungsquote tragen allerdings auch die fahrenden Händler bei, weil sie Metalle und Gegenstände vorsortieren oder die Teile oft aus den Kellern holen oder sogar ausbauen. Auch Posniak sieht durch das Gesetz die Existenz vieler Lieferanten bedroht.

Für Jennebach ist ein Überleben so nicht möglich. Auf gut 60 bis 70 Prozent schätzt er den Anteil der Kleinteile, der ihm in Salzgitter entgeht. Die Familie will sich deshalb gegen die Verfügung aus dem Rathaus wehren. Wie das ausgeht, weiß Silvio Jennebach nicht. Sicher ist wohl nur: Sollte er mal Kinder haben, sitzen die nicht mehr mit im Lkw.