Die Mitarbeiter helfen Alstom in Salzgitter
Die IG Metall und der Konzern haben sich auf einen Beschäftigungssicherungsvertrag für das Alstom-Werk in Salzgitter verständigt. Foto: rk

Die Mitarbeiter helfen Alstom in Salzgitter

SZ-Watenstedt. Der große Kahlschlag bei Alstom bleibt vermutlich aus. Ab 2020 tut sich bei dem Betrieb am Standort in Salzgitter ein großes Produktionsloch auf, für das die Konzernleitung sogar eine Massenentlassung in Erwägung zog. IG Metall und Betriebsrat ist es nach eigenen Angaben gelungen, sich mit der Geschäftsführung auf einen neuen Vertrag zur Standort- und Beschäftigungssicherung zu einigen. Dem Gesamtpaket aus tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen haben 78 Prozent der IG-Metall-Mitglieder zugestimmt, bis 17. Oktober läuft noch die Erklärungsfrist seitens des Konzerns.

Seit 2005 hangelt sich der Bahnenhersteller von einem Beschäftigungssicherungsvertrag zum nächsten. Der neue Kontrakt läuft am 1. April 2020 an und ist fünf Jahre gültig. Demnach verzichtet jeder Mitarbeiter auf durchschnittlich 1.900 Euro pro Jahr an Urlaubsgeld und Zulage, zudem leistet er zwölf Minuten Qualitätsarbeit täglich zusätzlich, die der Belegschaft aber in Form von Bildungsmaßnahmen wieder zugute kommen.
Dieser Eingriff verbessert die Wettbewerbschancen und erspart dem Unternehmen eine betriebsbedingte Kündigungswelle von 500 festen Mitarbeitern. Die derzeit 300 befristeten Arbeitnehmer und Leiharbeiter müssen Ende März vermutlich gehen, ihre Jobs waren laut Gewerkschaft nicht zu retten.
Auch die Stammbelegschaft wird bis 2025 reduziert, allerdings in sozialvertäglichem Umfang und auf freiwilliger Basis. So sollen sich 188 Mitarbeiter aus den Jahrgängen 1955 bis 1961, die als rentennah gelten, zu attraktiven Konditionen verabschieden können. Betriebsratsvorsitzender Thomas Ueckert glaubt zwar nicht, dass alle unterschreiben, aber mehr als 100 dürften die Chance nutzen, schätzt er. Wie viele jüngere Kollegen auf mögliche Abfindungsangebote eingehen, kann er nicht sagen.
Sicher ist aber, dass das Werk zum 1. April 2020 für ein Jahr auf Kurzarbeit zusteuert. Die Arbeitnehmervertreter rechnen damit, dass danach noch einmal für ein halbes Jahr die Arbeitszeit gekürzt wird, möglicherweise auf eine Vier-Tage-Woche.
Die Einschnitte haben einen Grund. Alstom kämpft mit Wettbewerbs- und Auslastungsschwierigkeiten, gerade der Neuwagenbau hat Probleme. „Bereits sicher geglaubte Aufträge sind aufgrund des Preisdrucks am Markt verloren gegangen“, erklären Thomas Ueckert und Betriebsratskollege Thomas Stiller. Letzterer würde sich bei Ausschreibungen mehr Unterstüzung aus der Politik für tarifgebundene Arbeitsplätze wie in Salzgitter wünschen. „Die Politiker sollten hier klar Stellung beziehen.“
Derzeit leistet das Werk 930.000 Produktionsstunden im Jahr, künftig werden es 600.000 bis 700.000 sein. Die Konzernspitze wollte die Kapazität laut IG Metall auf 400.000 Stunden senken. Das hätte nach Ansicht der Gewerkschafter aber den Standort gefährdet. Sogar ein Verzicht auf die Ausbildung drohte. „Das Werk hätte keine Zukunft mehr gehabt“, so Marion Koslowski-Kuzu von der IG Metall. Deren Mitglieder seien bereit, den Arbeitgeber in Sachen Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, „unter der Voraussetzung, dass kein Beschäftigter zurückgelassen wird und Alstom auch mittelfristig Arbeits- und damit Lebensperspektiven bietet.“
Mit dem Paket geht auch eine absolute Transparenz einher, der Betriebsrat in Salzgitter erhält Einblick in die wirtschaftliche Sitation und die Auslastungsplanung. Denn bei aller Zuversicht für die Beschäftigungssicherung und die Freude über die große Zustimmung bei den Mitgliedern ist die Gefahr betriebsbedingter Kündigungen nicht gebannt. Denn der Vertrag enthält auch eine „Gewitterklausel“, die der Konzern 2023 ziehen könnte. Dann nämlich wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schauen, ob sich die Lage gebessert hat. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es doch noch Entlassungen bei Alstom hageln.