Alstom in Salzgitter ist jetzt größter und wichtigster Standort der Franzosen
Alstom macht im Fahrzeugbau die meisten Umsätze.

Alstom in Salzgitter ist jetzt größter und wichtigster Standort der Franzosen

Salzgitter. Die Maßstäbe verschieben sich gerade bei Alstom. Mit dem Ausverkauf der Energiesparten an General Electric (GE) schrumpft der französische Industriekonzern auf weniger als ein Drittel seiner bisherigen Größe – sowohl bei der Belegschaft als auch beim Umsatz. Mit kuriosen Folgen: Der wichtigste Standort des geschrumpften Riesen, an dem sich der französische Staat gerade beteiligt hat, steht jetzt im Ausland. „Salzgitter ist das größte Werk in der neuen Alstom-Welt“, umschreibt es der Chef des Alstom Deutschlandgeschäfts Didier Pfleger.
Der 50jährige ist seit wenigen Wochen Chef des Deutschlandgeschäfts von Alstom Transport – der Zugsparte des Konzerns, die nach dem Vollzug des Geschäfts mit GE den Kern des neuen Unternehmens bilden wird – mit gut 6 Milliarden Euro Umsatz und 28.000 Beschäftigten. Für Juni wird die endgültige Ausgliederung erwartet, schon zu Beginn des Geschäftsjahres 2015/2016 im April wollen sie die neuen Strukturen aber schon leben. Damit dürfte dann auch die bisherige Deutschlandzentrale von Alstom in Mannheim ihre Funktion verlieren. „Operativ wird Salzgitter die Zentrale sein“, sagt Pfleger.

Nun hat das Werk in Sichtweite der Salzgitteraner Hochöfen seit seiner Übernahme vor mehr als 20 Jahren immer schon eine große Rolle gespielt im Alstom-Konzern. Es ist Kompetenzzentrum für Regionaltriebzüge und größter Bahntechnik-Standort. Auf dem Werksgelände, das zweimal so groß ist wie der hannoversche Maschsee, entstehen nicht nur komplette Züge, auch viele der Komponenten bauen sie hier noch selbst. Tausende Güterwagen und Radsätze werden im Jahr gewartet. Gerade entsteht eine sechs Hektar große Halle, in der die Teilelogistik konzentriert wird.
„Die Größe ist Stärke und Schwäche zugleich“, umschreibt es Pfleger. „An Letzterem müssen wir arbeiten.“ Alte Infrastruktur, hoher Unterhaltungsaufwand, zu viel ungenutzte Fläche: „Die Strukturkosten sind zu hoch“, meint der Franzose. Bis zu 30 Prozent der Fläche wollen sie einsparen in Salzgitter – oder besser: an Partnerfirmen wie etwa Zulieferer abgeben. Die Fertigungstiefe steht derzeit auf dem Prüfstand – was nicht zum Kerngeschäft gehört, sollen andere machen. Der Standort müsse flexibler und wettbewerbsfähiger werden, fordert Pfleger.

Fertigung schaffte immer neue Bestmarken

Zuletzt hatten sie in Salzgitter keine Zeit, die Standortfitness zu hinterfragen. Es wurde gebaut und gebaut. Wo sonst 120, vielleicht 150 Züge vom Band laufen, kamen im vergangenen Jahr rund 200 zusammen. „2014 war ein Rekordjahr bei Umsatz und Beschäftigung“, sagt Alstom-Manager Martin Lange. Die Umsätze im Geschäftsjahr 2014/2015 dürften erstmals die Marke von 800 Millionen Euro erreichen, zu den 2100 Mann Stammbelegschaft gesellten sich zeitweise 700 befristet Beschäftigte.

Doch diese Spitzenwerte werden „nicht zu halten sein“, ist sich Lange sicher. Eine ungewöhnliche Ballung von öffentlichen Aufträgen hat dem Standort eine Sonderkonjunktur verschafft. Allein in Deutschland rechnet Lange bis zum Ende des Jahrzehnts mit einem Rückgang der Branchenumsätze um ein Drittel. Schon Ende dieses Jahres werde die Auslastung in Salzgitter deutlich niedriger liegen. Bis dahin wollen die Alstom-Manager auch die Verträge der 300 derzeit noch an Bord befindlichen befristet Beschäftigten auslaufen lassen.

Die Standortvereinbarung läuft 2016 aus

Der Betriebsrat hat schon Zustimmung signalisiert. Mit ihm verhandelt die Salzgitteraner Spitze derzeit auch darüber, unter welchen Bedingungen man die noch bis 2016 gültige Stand­ortvereinbarung verlängern könnte. Dem Management schwebt unter anderem vor, die Zeitkonten auszuweiten, um Schwankungen besser auffangen zu können. Zudem soll der Standort seine Wartungskompetenz verbessern. Immer häufiger übernehmen die Hersteller inzwischen auch die Pflege der Züge – teils für Jahrzehnte. „Wir müssen die Rückgänge im Fahrzeugbau mit Zusatzgeschäft beim Service und in der Signaltechnik auffangen“, meint Lange.

Doch nicht nur die Zahl der Aufträge sinkt, es buhlen auch immer mehr Hersteller darum. Die Wettbewerber kämen inzwischen aus Niedriglohnländern in Osteuropa oder aus China, berichtet Lange. In der Volksrepublik haben sich gerade die beiden größten Zugbauer zusammengeschlossen, in Mazedonien hätten Chinesen bereits einen Fertigungsauftrag ergattern können. Auf diese Entwicklung, so Lange, „müssen wir Antworten finden“.

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